24/05/15

Unterm Kirschbaum

Damals —
Weißt du noch, wie wir als saßen,
Hand in Hand, ganz dicht am Stamm?
Was träumend wir in Augen lasen,
Damals, als wir Kinder war’n?

Damals –
Sehnte ich mich nach der Nähe,
Die du mir gabst mit deinem Duft;
Und mir ist’s, dass ich dich sähe
Wie damals, an dem Frühlingstag.

Damals —
Als sich unsre Lippen schmecken,
Sind wir noch jung und sehr verspielt;
Weiße Augen, die aus Neugier recken,
Damals, an dem Frühlingstag.

Damals –
Wind, der sich an uns leicht schmiegte;
Wir ganz dicht, sacht Haut an Haut,
Und du warst’s, die mich sanft wiegte,
Damals, an dem Sommertag.

Damals —
Wie oft lagen an den heißen Tagen
Wir ganz trunken hier im Gras,
Berauscht, erschöpft und fortgetragen…
Damals, an dem Sommertag.

Damals —
Kirschen fielen, Blätter prangten,
Wir in buntem Farbenspiel;
Unsre Herzen, wie sie wankten,
Damals, an dem Herbstentag.

Heute —
Sitz’ ich wieder hier und sehe
Unser Lachen aus der fernen Zeit,
Und mir scheint’s, als ob es mich umwehe
Wie damals,
— in der Kirschbaumzeit.

(Entstanden 1993)

24/05/15

Freundschaft

Man sieht sie nicht,
obwohl sie da ist.
Sie ist nicht greifbar –
man spricht nur von ihr;
und nicht jeder weiß,
woher sie kommt.

Sie ist das Zwischen
bei den Menschen;
bringt mit Gefühle,
Träume und Gedanken –
und wird auch deshalb
oft geleugnet.

Sie ist im Innern nur zu finden,
versteckt,
verborgen,
ungeahnt –
und dann erst in schweren Zeiten
merkt man doch,
wie sehr sie fehlt.

(Entstanden 1995/96)