24/01/22

CLL: 3 Buchstaben, eine Diagnose – Teil III/III

2.3 Aktionismus

Durch angepasste Ernährung den notwendigen Behandlungsbeginn der CLL möglichst lange hinauszuzögern, war nur eines der Dinge, die mich die nächsten Monaten beschäftigten. Die Konfrontation mit der eigenen Vergänglichkeit führte auch zu einem ziemlichen Drang, etwas Bleibendes erschaffen zu wollen: Ich wollte etwas erschaffen, das mich überdauerte. Das noch da ist, wenn ich längst nicht mehr bin. Etwas, das nichts mit den flüchtigen digitalen Medien, Internet oder Computer zu tun hatte. Etwas, das Bestand hatte.

Das Gartengrundstück von Freundinnen kam da wie gerufen. Es liegt nur 10 Minuten entfernt in Waldnähe, ist ein ziemlich steiler Streifen am Hang mit vier Ebenen und schönem Blick gen Westen und sollte sowieso auf Vordermann gebracht werden. Bereits im Vorjahr hatten wir begonnen, es wieder in Ordnung zu bringen und nutzbar zu machen. Dort legte ich also los und betrieb quasi ‚Terraforming‘: Über mehrere Monate entstanden verschiedene Treppen, Pflanzmauern und Zwischenebenen, und letzten Endes sogar eine große Natursteinmauer direkt an der Terrasse mit mehreren Stufen und Ausläufern. Ich verbrachte zahllose Stunden und Nachmittage am Hang. Und abends oder am nächsten Tag freute ich mich über den Muskelkater und die wohlige Zufriedenheit, wirklich etwas von Bestand erschaffen zu haben. Ein gutes Gefühl. So fühlte ich mich lebendig.

Hinsichtlich Ernährung hatte ich mich, wie bereits im letzten Beitrag erwähnt, schon früher mit den Ansätzen von Joe d’Adamo und der Ernährung nach Blutgruppen auseinandergesetzt. Vereinfacht gesagt steht hier die Theorie dahinter, dass evolutionsgeschichtlich die verschiedenen Blutgruppen zu unterschiedlichen Zeiten und entsprechend der jeweiligen Umgebung und Nahrungssituation entstanden sind. Und dass Menschen, gemäß ihren Blutgruppen die eine oder andere Nahrung besser oder schlechter vertragen. Dabei ordnet er Nahrungsmittel in drei Kategorien ein: neutral, schädlich und besonders bekömmlich. Nach dieser Theorie vertragen beispielsweise Menschen mit der Blutgruppe 0 (Zeit der Jäger und Sammler) eher rotes (Wild)Fleisch, die der Blutgruppe A (Zeit der ersten Siedler) hingegen eher die alten Getreidesorten und helles Fleisch (Geflügel).

Man mag davon halten, was man möchte: Mir hatte es geholfen, Nahrungsmittel auszumachen und zu vermeiden, die mir nicht bekommen und nach einer Mahlzeit immer Schwierigkeiten bereiteten. Das hatte ich über einen längeren Zeitraum gezielt ausgetestet. Und seit ich, ganz pragmatisch vorgehend, einfach die bei mir »schädlichen« Dinge weglasse (z.B. Paprika, Bananen, Kuhmilchprodukte, Weizen), war mir Essen deutlich besser bekommen. Diese Erfahrung bestärkte mich nun darin, noch mehr hinsichtlich meiner Ernährung auszuprobieren.

Also vertiefte ich mich in die Bücher von Norman W. Walker: »Frische Frucht- und Gemüsesäfte« sowie »Täglich frische Salate erhalten Ihre Gesundheit«. Zwei sehr interessante Taschenbücher, die zahlreiche Informationen über Vitalstoffe von Früchten und Gemüsen enthalten. Praktischerweise sind auch Listen mit empfohlenen Kombinationen/Rezepten bei bestimmten ‚Störungen‘ bzw. Krankheitsbildern dabei. Eine inspirierende Lektüre, um mögliche Zusammenhänge zwischen Körper und Ernährung zu erkennen. Bei mir gab und gibt es seither viel Salate und Säfte. Ein Ausprobieren lohnt sich meiner Meinung nach auf jeden Fall! Nicht nur ich habe positive Veränderungen erlebt: Bei dem 17-jährigen Sohn von Freunden haben die entsprechenden Saftmischungen und eine leichte Ernährungsanpassung z.B. ziemlich schnell die Aknepickel verschwinden lassen, was der natürlich ziemlich gut fand.

Norman W. Walker beschreibt in seinen Büchern neben den vielen positiven Auswirkungen einer angepassten Ernährung auch, was man besser NICHT zu sich nehmen sollte. Dazu gehört u.a. der Essig: Den habe ich seit der Lektüre bis auf ganz wenige Ausnahmen (z.B. Tomaten mit Mozzarella) aus meiner Küche verbannt.
Mein Tipp: Für Salatsoßen eine Sauce aus frischem Limettensaft, Senf und Ahornsirup verwenden und nach Geschmack mit Kräutern kombinieren. Und benötigt man ein wenig Säure bei Fleischgerichten, hilft ebenfalls Limetten- oder Granatapfelsaft (außer beim Sauerbraten).

Gemäß der Vorschläge von Walker begann ich täglich frisch gepresste Säfte zuzubereiten und mehr Salate zu essen: v.a. mit blutbildender und stärkender Wirkung. Ein immenser zeitlicher und logistischer Aufwand! Allein schon, um an die frischen und ungespritzten Gemüse in ausreichender Menge zu gelangen und dann auch noch frische Säfte daraus zu pressen. Das war im Alltag durchaus eine Herausforderung und ließ sich nicht immer konsequent durchziehen. Aber ich versuchte es. Schließlich hatte ich für mich die Hoffnung, dass ich damit etwas Messbares bewirken könnte, der HB-Wert nicht absackte und sich das Blutbild insgesamt verbesserte.

Zu Weihnachten bekam ich dann das Buch »Heile deine Leber« von Anthony William geschenkt. In diesem kurzweiligen und unterhaltsam zu lesendem Werk erklärt William die Wirkungsweise und Aufgaben der Leber sowie eine passende Ernährungsweise, mit der wir sie als wichtiges Organ und Schaltzentrale bei der Verteilung der verschiedenen Stoffe aus unserer Nahrung optimal unterstützen können. Ein sehr empfehlenswertes Buch. Es liefert nicht nur zahlreiche Infos zu Zusammenhängen im Körper, sondern bietet obendrein auch einige Rezepte für leckeres Essen oder Getränke. Bis dato war mir nur bekannt, dass ich mit Alkohol die Leber schädige. Was sie aber tagtäglich leistet, was sie bedroht, wie wichtig die Leber für die Gesunderhaltung der anderen Organe und die Verteilung der Nährstoffe ist, wann sie wie arbeitet und wie ich ihr bei ihren Aufgaben recht leicht helfen kann, lernte ich erst durch William kennen.

Den »Leber-Entlastungsvormittag« beispielsweise, den William als »eine leichte kurze Entschlackung, die Sie jederzeit ausprobieren können« vorstellt (3. Auflage 2019: S. 437ff.), praktiziere ich seitdem konsequent und täglich. Er ist recht einfach: Der Tag startet mit Zitronen- oder Limettenwasser und ausreichend Flüssigkeit und dann gibt es den gesamten Vormittag nichts Fetthaltiges und keine Milchprodukte, damit die Leber ihre Zeit hat, gründlich ‚sauberzumachen‘. Klingt furchtbar? An das Zitronenwasser hatte ich mich schnell gewöhnt, das Müsli esse ich sowieso eher als Porridge mit warmem Wasser, Kaffee trinke ich, wenn überhaupt, schwarz und ein Dinkelbrot verträgt eine gute Marmelade sowieso auch ohne Butter (wenn es denn mal zum Frühstück sein muss).

Wen es interessiert: Das Buch enthält noch viele weitere Tipps und Rezepte, mit denen man seiner Leber etwas Gutes tun kann – von Limonaden über Tees, Smoothies und Brühen bis hin zu Salaten, Hauptgerichten und Nachspeisen oder Snacks für zwischendurch (z.B. sehr lecker: Apfelmus mit Zimt, Datteln und Sellerie, S. 524).

In den folgenden Monaten tat ich also, was ich konnte, um mich möglichst gesund und angepasst zu ernähren und mich regelmäßig draußen zu bewegen. Ich probierte verschieden Säfte nach Walker aus, variierte die Reihenfolge über den Tag, setzte die Tipps von William um. Da ich mir das vorgenommen hatte und es in dieser Situation für wichtig hielt, es auszuprobieren, blieb ich konsequent und gewöhnte mich recht schnell an die Säfte und sonstigen Änderungen.

Probiert es einfach selbst mal aus!

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Meine geänderte Ernährung hat bei mir natürlich weder die CLL geheilt noch mich vor der Behandlung bewahrt. Eine bestimmte Nahrung würde ich auch nie als Alternative zur modernen Medizin oder einem Arztbesuch ansehen. Rückblickend bin ich allerdings überzeugt, dass die geänderte Ernährungsweise mir trotzdem geholfen und mich gestärkt hat – auch bei der späteren Behandlungsphase. Denn nach Aussagen der Ärzte hätte ich durch mein geschwächtes Immunsystem eigentlich besonders anfällig für Infekte sein müssen. Und ich sollte deshalb auch besonders aufpassen. De facto hatte ich aber seit der Umstellung die gesamte Herbst- und Winterzeit über keinen Infekt, obwohl die restliche Familie mehrfach auch starke Erkältungen oder Virusinfekte mit nach Hause brachte. Und die spätere Behandlung vertrug ich rückblickend ebenfalls recht gut und ohne langanhaltende Nebenwirkungen.

Wie die Phase der Behandlung ablief, schildere ich in den nächsten Beiträgen.

Lesetipps:

Dr. Peter J. D’Adamo, Catherine Whitney: 4 Blutgruppen – vier Strategien für ein gesundes Leben. Piper Taschenbuch, 20. Aufl. 2009.
ISBN 978-3-3492-22811-4

Dr. Norman W. Walker: Frische Frucht- und Gemüsesäfte. Vitalstroffreiche Drinks für Fitness und Gesundheit. Goldmann Taschenbuch, 29. Aufl. 1995. ISBN 978-3-442-13694-0

Dr. Norman W. Walker: Täglich frische Salate erhalten Ihre Gesundheit. Goldmann Taschenbuch, 14. Aufl. 2016.
ISBN 978-3-442-17603-8

Anthony William: Heile deine Leber. Die Wahrheit über chronische Erschöpfung, Reizdarm, Gewichtsprobleme, Diabetes und Autoimmunkrankheiten. Arkana Verlag, 3. Auflage 2019.
ISBN 978-3-442-34251-8

16/01/22

CLL: 3 Buchstaben, eine Diagnose – Teil II/III

2.2 Vergänglichkeit

Mit der eigenen Vergänglichkeit konfrontiert zu werden, ist hart. Verstörend. Und es passt so gar nicht in ein scheinbar geordnetes Leben. Ich fühlte mich mit der CLL-Diagnose, als hinge auf einmal eine ominöse, dunkle Bedrohung über mir, die jederzeit zuschlagen und mir das Licht ausknipsen konnte. Ein Damoklesschwert.

Klar, ich hatte in meiner Krise und Verzweiflung keinen Sinn mehr in meinem Leben gesehen, wie es war. Aber mit dieser Diagnose war das drohende Ende auf einmal erschreckend real. Plötzlich war es weit mehr als nur ein depressives Szenario. Und das war mir auch nicht recht.

Außer den geschwollenen Lymphknoten am Hals zeigten sich weiterhin keine anderen Symptome oder Begleiterscheinungen. Das war einerseits natürlich gut. Andererseits machte es die CLL auch surreal. Wie konnte ich eine solche Krankheit in mir tragen und außer den dicken Dingern am Hals nichts davon bemerken? Und schon führte eins zum anderen: War es vielleicht doch eine Fehldiagnose? Was, wenn sich dieser Hämatologe jetzt auch in anderer Hinsicht irrte? Wenn diese CLL – falls ich sie tatsächlich haben sollte – doch nicht so gut zu behandeln war? Oder die Medikamente bei mir vielleicht nicht so wirkten, wie sie sollten? … Willkommen, Gedankenkarussell!

Aufgrund meines Binet-Stadiums A, dem ich zugeordnet worden war, sollte ich nach 6 Monaten zur Kontrolle kommen. 6 Monate mit so einer Diagnose herumlaufen und nichts tun können? Das machte mich schier verrückt. Das war mir zu lange. Ich ging deshalb bereits nach zwei Monaten zu meinem Hausarzt. Und tatsächlich: Die Leukozyten hatten zugenommen, andere Werte sich verschlechtert. Wenn auch nicht dramatisch. Trotzdem keine tollen Aussichten. Und ich kam mir vor wie ein Held auf seiner Reise, dem, den klaren Ausgang seines Abenteuers mit dem eigenen Ende vor Augen, trotzdem nichts anderes übrig bleibt, als Schild und Schwert zu nehmen und die dunklen Höhlen zu betreten …

Im November hatte ich dann den nächsten Untersuchungs- und Gesprächstermin in der hämatologischen Ambulanz des Klinikums in Heidelberg. Dieses Mal saß mir eine freundliche und zuhörende Ärztin gegenüber. Die nahm sich schon mal gefühlt mehr Zeit und beantwortete geduldig meine Fragen. Sie erklärte mir vor allem auch die Krankheit und ihre verschiedenen Behandlungsmethoden noch einmal genauer. Dabei wies sie auch darauf hin, welche immensen Fortschritte die Forschung in den vergangenen Jahren gerade bei der CLL-Behandlung gemacht hat: Anfangs war eine Knochenmarktransplantation die einzige Rettung. Aber längst waren Chemotherapie und Chemotherapie in Kombination mit Antikörpern (Immun-Chemotherapie) sowie neue Medikamente und zielgerichtete Therapien, die weitaus besser vertragen wurden als eine Chemotherapie, als weitere Behandlungsmöglichkeiten etabliert. Sie sagte, dass in meinem Fall vermutlich eine Therapie mit ibutrinip erfolgen würde. Ein Wirkstoff, der seit 2015/16 für die Erstlinientherapie der CLL zugelassen war.

Die Vorstellung, für den Rest meines Lebens Tabletten nehmen zu müssen, gefiel mir ganz und gar nicht. Ich bin eh kein Freund von Tabletten oder Medikamenten und gehöre ganz sicher nicht zu denjenigen, die beim ersten Halskratzen etwas einwerfen oder gleich Antibiotika o.Ä. nehmen. Aber die Hämatologen waren die Fachleute. Nicht ich mit meinem Halbwissen. Und in dem Moment beschloss ich, besser nichts mehr im Internet zu recherchieren.

Ich erfuhr bei diesem Termin auch, dass es gar nicht auf die konkrete Anzahl der Leukozyten allein ankommt, sondern auf die Dynamik, mit der sie sich vermehrten. Und natürlich noch um verschiedene weitere Werte, mit denen man die CLL und geeignete Behandlungsmöglichkeiten genauer bestimmen konnte. Das beruhigte mich ein wenig. Denn so blieb mir doch noch etwas Zeit. Auch wenn meine Leukos alles daran zu setzen schienen, sich fröhlich zu vermehren. Aber die Verdopplung innerhalb von 6 Monaten (einer der Indikatoren für den notwendigen Beginn einer Behandlung) schafften sie noch nicht.

So wurden in den folgenden Wochen die Laborwerte zum fixen Indikator, wann mich die Bedrohung überwältigen könnte. Ob es mir gut ging oder schlecht. Mir als Nicht-Mediziner erschlossen sich die verschiedenen Laborwerte und Richtgrößen im Blutbild nicht vollumfänglich. Also fokussierte ich mich hauptsächlich auf die Leukozyten und den HB-Wert: Wurde der erste Wert nicht zu hoch und der zweite nicht zu niedrig, war bzw. blieb alles erst einmal im Rahmen. Diese pragmatische Vereinfachung half dabei, mir nicht zu viele Gedanken zu machen.

Denn das von mir abverlangte Warten und Nichts-tun-Können fiel mir verdammt schwer. Einfach ‚normal‘ weiterleben und arbeiten, regelmäßig Blut untersuchen lassen und ansonsten nichts tun können… Gar nichts? – Das wollte mir schon seit dem ersten Termin nicht in den Kopf. Ich musste doch irgendetwas tun. Ich wollte irgendetwas tun!

Da ich selbst gerne koche, hatte ich mich schon während meiner Studienzeit mit dem Thema ‚gesunde Ernährung‘ und mit verschiedenen Ernährungstheorien und -ansätzen beschäftigt. Durch Bücher von Norman W. Walker, die ich kurz nach meiner Diagnose empfohlen bekommen hatte, kam ich nun auf die Idee, hier wieder anzusetzen. Warum setzte ich nicht einfach von der Ernährung her alles daran, dass der HB-Wert konstant blieb und die Anzahl der Leukozyten nicht durch die Decke ging?

Norman W. Walker war Mitbegründer der Natural-Hygiene-Bewegung in den Vereinigten Staaten, die Rohkost, Obst- und Gemüsesäfte als beste und gesündeste Ernährung für den Menschen ansehen. Auch an die Ansätze von Joe d’Adamo und seine »4 Blutgruppen – vier Strategien für ein gesundes Leben« erinnerte ich mich. Diese Theorie hatte schon früher Einfluss auf meinen Speiseplan gewonnen. Das alles zusammen führte schnell zu einem konkreten Plan: Versuche über die Ernährung alles Mögliche, um deinen Körper zu unterstützen und so zu stärken, damit noch lange keine Behandlung notwendig wird.

Leichter gedacht als getan. Ernährung hat Einfluss auf unseren Körper, das ist bekannt. Das Zitat »Du bist, was du isst« fasst das recht gut zusammen (es leitet sich wohl von der Aussage »der Mensch ist, was er isst« vom deutschen Philosophen Ludwig Feuerbach ab, der im 19. Jh. lebte und wirkte). Besonders die schädigende Wirkung bestimmter Ernährungsweisen ist ja vielfach untersucht und diskutiert. Aber: Konnte im Umkehrschluss die Ernährung dann tatsächlich auch besonders positive und ‚heilende‘ Wirkungen haben? Ein Thema, zu dem es ebenfalls zahllose Bücher und Abhandlungen gibt. Aber zumindest ein Bereich, wo ICH etwas tun konnte. Wo ich aktiv werden konnte – oder es zumindest versuchen. Nicht mehr nur warten. Und darum ging es mir.

Ob das gelang, und was ich während der weiteren „Watch & Wait“-Phase – auch außerhalb meiner Ernährung – alles tat, folgt im nächsten Beitrag.

Lesetipps:

Dr. Peter J. D’Adamo, Catherine Whitney: 4 Blutgruppen – vier Strategien für ein gesundes Leben. Piper Taschenbuch, 20. Aufl. 2009.
ISBN 978-3-3492-22811-4

Dr. Norman W. Walker: Frische Frucht- und Gemüsesäfte. Vitalstroffreiche Drinks für Fitness und Gesundheit. Goldmann Taschenbuch, 29. Aufl. 1995. ISBN 978-3-442-13694-0

Dr. Norman W. Walker: Täglich frische Salate erhalten Ihre Gesundheit. Goldmann Taschenbuch, 14. Aufl. 2016.
ISBN 978-3-442-17603-8

11/12/21

CLL: 3 Buchstaben, eine Diagnose – Teil I/III

2.1 CLL – Das Ende?

„Wir brauchen den Lymphknoten nicht herausnehmen und untersuchen. Der Eingriff ist abgesagt. Sie haben chronische lymphatische Leukämie. Melden Sie sich demnächst bei den Kollegen in der Hämathologie. Die können Ihnen weiterhelfen.“ In ungefähr diesen Worten habe ich von meiner Diagnose erfahren. Am Telefon. Der Arzt von der HNO-Abteilung des Klinikums fasste sich geschäftig kurz und wünschte mir noch alles Gute, bevor er auflegte. Aufgabe erledigt.

Für mich jedoch brach eine Welt zusammen. Leukämie? Ich? Bis zu diesem Moment hatte ich gehofft, dass es nur irgendeine Infektion war, die ich mir in den Wintermonaten eingefangen hatte und die mir seit Wochen dicke Lymphknoten am Hals bescherte. Doch das?

Der Reihe nach: Ende 2018/Anfang 2019 hatte ich mich in eine Sackgasse manövriert. Sowohl bei der Arbeit als auch privat und vor allem mental: Durch eine Mischung aus übertriebenem Ehrgeiz, falschem Selbstverständnis, Überarbeitung, Beziehungsproblemen, dem Abhängig-Fühlen von den Meinungen anderer und einem vernachlässigten Ich, das so viele kreative Pläne hatte, aber im Alltag nicht dazu kam, sie umzusetzen, hatte ich einen Punkt erreicht, an dem ich einfach nicht mehr konnte. Und nicht mehr wollte. Wozu lebte ich überhaupt noch? Was sollte das Ganze? Wozu strampelte ich mich die ganze Zeit ab, wenn doch nichts dabei herauskam – nicht einmal etwas Anerkennung? Die Gedanken kreisten und kreisten. Und der Strudel zog mich immer weiter hinab.

Nachdem ich merkte, dass ich bei der Arbeit eigentlich nur noch da saß, mich nicht mehr konzentrieren konnte und bei den banalsten Widrigkeiten heimlich Tränen flossen, beschloss ich, mir Hilfe zu holen, und begann schließlich eine Therapie. Parallel dazu hatte ich verschiedene Termine beim Hausarzt, bei Fachärzten und in der HNO-Abteilung des hiesigen Klinikums. Denn seit Anfang des Jahres hatte ich geschwollene Lymphknoten am Hals. Im wahrsten Sinne des Wortes. Sie taten nicht weh, waren mir aber doch suspekt und gut sichtbar. Die Mandeln konnten es nicht sein, die waren mir schon vor Studienbeginn entfernt worden. Daher vermutete ich irgendeinen Infekt. Vielleicht ein Virus, das ich mir eingefangen hatte, und mit dem mein Körper zu kämpfen hatte. Eigentlich typisch für diese Jahreszeit.

Trotz verschiedener Untersuchungen blieb die genaue Ursache für die HNO-Ärzte jedoch im Dunkeln. Vermutungen gab es verschiedene, aber selbst eine Ultraschall-Untersuchung der Lymphknoten ergab kein konkretes Bild – außer, dass sie im Moment keine Gefahr darstellten. Immerhin. Aber sie wollten einen der Lymphknoten herausnehmen und genauer untersuchen. Ich bekam sogar recht kurzfristig einen Termin. Natürlich nicht ohne mir vorher sämtliche Gefahren und mögliche Folgen eines derartigen Eingriffs anhören zu dürfen.

Zwei Tage vor dem Eingriff kam dann der besagte Anruf (s.o.). Und da saß ich nun mit dieser Diagnose, bei der Arbeit, den Telefonhörer noch nicht aufgelegt und war erst einmal das heulende Elend. C… – was? Chronische lymphatische Leukämie? – Nie gehört. Aber „Leukämie“ hörte sich mies an. Ziemlich mies. Und nicht danach, dass ich mein Kind noch würde aufwachsen sehen. Zum Glück arbeitete ich zu jener Zeit mit einer Kollegin zusammen, mit der ich mich sehr gut verstand. Sie fing mich an diesem Tag auf und half mir, den ersten Schock zu überwinden.

In den nächsten Wochen sammelte ich Informationen über diese CLL. Ich hatte noch nie von dieser Krankheit gehört und musste feststellen, dass das Internet nur bedingt ein guter Ratgeber war. Es machte mich nur noch konfuser und panischer, was ich da las. Die CLL ist nicht heilbar. Und ich war viel zu jung dafür. Und je nach Seite und Forumsbeitrag waren die Informationen auch nicht immer aktuell. Wie sollte ich diese Flut an Infos richtig bewerten und filtern können? Mithilfe der Therapie, die mich ja eh begleitete, behielt ich wenigstens meinen Alltag im Griff, sodass ich nicht nur an die CLL und mein drohendes Ende dachte, sondern einigermaßen ‚normal‘ weiterarbeiten konnte.

Beim ersten Gesprächstermin in der Hämatologischen Ambulanz erfuhr ich dann, dass CLL die häufigste Leukämieform bei Erwachsenen in unseren westlichen Industrieländern ist (so fasst es auch die deutsche CLL Studiengruppe (https://www.dcllsg.de/) zusammen). Von einem der obersten Köpfe persönlich. Dank Zusatzversicherung, die ich in diesem Fall auch mal nutzen wollte. Gleichzeitig sei sie auch die besterforschteste und die am besten behandelbare Bluterkrankung. Es gebe inzwischen auch Alternativen zur Chemotherapie, zum Beispiel in Form von Tabletten, die ich täglich nehmen müsste. Mit diesen seien die Krankheit und ihre Symptome ganz gut in den Griff zu bekommen, erklärte er, nachdem er mich untersucht hatte. Da ich keine sonstigen Symptome aufwies, sollte ich mir also nicht zu viele Gedanken machen. Wir würden jetzt erst einmal abwarten und beobachten („Watch & Wait“). Ich sollte in ca. 3 Monaten wieder ein Blutbild machen lassen und in einem halben Jahr zur Kontrolle kommen. Dann würden sie entscheiden, wie es weitergeht und ob eine Therapie überhaupt schon notwendig wird. Noch Fragen?

Der überbordende Mangel an Emotionalität und Empathie bei dem Herrn mir gegenüber, auf dessen Audienz ich mehrere Stunden hatte warten müssen, ließ mich zukünftig den Zusatz „Chefarztbehandlung“ lieber unter den Tisch fallen. Er war bestimmt eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Und natürlich behielt er rückblickend recht und sein Team hat Tolles geleistet! Aber etwas mehr Eingehen auf mich und meine Situation hätte ich mir zu dem Zeitpunkt schon gewünscht. Schließlich hatte ich – im Gegensatz zu ihm – nicht tagtäglich mit diesem Thema und meiner Vergänglichkeit zu tun. Für mich war das alles fremd und ziemlich beängstigend. Zumal ich, statistisch gesehen, ca. 20 Jahre zu jung für diese Erkrankung war (das Alter bei Erstdiagnose liegt durchschnittlich bei ca. 70-75 Jahren). Und jetzt einfach so abwarten und nichts tun?
Aber genau das war der Plan.

… Fortsetzung folgt.